schwerh.jpg (6989 Byte) Die generellen Unterschiede zwischen diesen beiden Formen werden abgebildet.

<<< zur Übersicht

SCHWERHÖRIGKEIT VERSUS GEHÖRLOSIGKEIT

 

Oftmals wird in der Öffentlichkeit der Fehler begangen, Schwerhörigkeit und Gehörlosigkeit in einen Topf zu werfen. Grund dafür ist mangelndes Wissen und Interesse rund um das Thema HÖRBEHINDERUNGEN. Da werden in der öffentlichen Diskussion Gehörlosen Hörgeräte verpaßt (vollkommen sinnlos!) und Schwerhörigen wird die Gebärdensprache nahegelegt, die die meisten Betroffenen nicht beherrschen.

Diese beiden Gruppen hörbehinderter Menschen haben aufgrund der Umstände vollkommen unterschiedliche Wünsche und Bedürfnisse und daher ist es auch wichtig, die beiden Begriffe entsprechend auseinanderzuhalten.

GEHÖRLOSE haben - aus welchen Gründen immer - von Geburt an (oder seit frühester Säuglingszeit) kein Gehör. Als Folge davon kann sich keine verbale Kommunikation entwickeln, weil zum Spracherwerb ein intaktes Gehör erforderlich ist - das Hörzentrum im Gehirn verkümmert (es werden keine Synapsen gebildet). Bereits ein geringes Hördefizit bei einem hörgeschädigtem Kind kann den Spracherwerb nachhaltig erschweren.

Wenn nicht bereits im Kleinkindesalter entsprechende Therapien eingeleitet werden (z.B. Implantation eines CI - von erwachsenen Gehörlosen durchaus kontroversiell diskutiert), die einen Spracherwerb ermöglichen, bleibt dem Betroffenen als Kommunikationsmedium nur die Gebärdensprache.

Ein weiteres Problem für gehörlose Kinder ist das Erlernen des Lesens und Schreibens. Dr. ALFRED TOMATIS hat in langen Studien eindeutig nachgewiesen, daß auch das Lesen und Schreiben durch das Gehör unterstützt wird - wir lesen uns Texte sozusagen stimmlos vor. Oftmals sind bei Personen, die komplexe Texte lesen, Lippenbewegung wahrnehmbar. Ein weiterer augenfälliger Beweis für die Studien von Dr.Tomatis.

Gehörlose bedürfen somit der Gebärdensprache für eine gute Kommunikation. Daß nicht ausreichend Gebärdendolmetscher zur Verfügung stehen, um weitreichend diesen legitimen Wunsch der Gehörlosen zu erfüllen, ist eine traurige Tatsache.

Rein statistisch sind Gehörlose mit etwa 0,1% in der Bevölkerung vertreten.

Im Gegensatz dazu ist bei den SCHWERHÖRIGEN die verbale Kommunikation der Normalfall, vor allem auch deshalb, weil die meisten Schwerhörigen erst im Laufe des Lebens die Höreinschränkung erwerben. Schwerhörige haben somit die Lautsprache erlernt und brauchen Unterstützung beim Verstehen der Sprache.

Erstes Hilfsmittel ist das Hörgerät, das rechtzeitig verordnet und angepaßt werden sollte. So wie die Muskeln eines Sportlers braucht auch das Hörzentrum im Gehirn regelmäßiges Training. Je länger das Hörzentrum durch mangelhaften Input sozusagen brachliegt, umso schwerer ist dann die Gewöhnung an das "neue" Hören mit dem Hörgerät. Ein Vergleich: auch die frühzeitige Verordnung (und Verwendung! - gilt übrigens auch für das Hörgerät) einer Brille kann das Fortschreiten einer Seheinschränkung deutlich verlangsamen.

Da die von Schwerhörigen oft gestellte Frage "wie bitte?" von vielen guthörenden Personen als geistige Behinderung interpretiert wird, ziehen sich Schwerhörige verletzt in ihr Schneckenhaus zurück. An dieser Stelle ist auch ein Apell an viele HNO-Ärzte zu richten, die glauben, daß mit der Verordnung eines Hörgeräts die Welt für den Betroffenen wieder in Ordnung sei. Daß hier oftmals tiefe psychische Wunden vorliegen, sehen die Ärzte zumeist nicht. Auch vielen Hörgeräteakustikern fehlt dieses Fingerspitzengefühl, weil die Schwerhörigkeit in der Öffentlichkeit erst schleppend akzeptiert wird.

In der Öffentlichkeit muß aber auch akzeptiert werden, daß es eine Vielzahl von Situationen gibt, in der das beste Hörgerät mit der modernsten Technologie an seine Grenzen stößt und der Betroffene wieder Verstehensprobleme hat. Hier kann z.B. die Installation sorgfältig geplanter und installierter indukTiver Höranlagen eine Möglichkeit sein, das Verstehen zu erleichtern. Auch das modernste Hörgerät (oder auch CI) ist nur eine HörHILFE und kann ein gesundes Gehör nur mangelhaft ersetzen, so wie auch die beste Brille ein fehlerfreies Augenlicht nicht ersetzen kann.

Was Schwerhörige brauchen, ist das Verständnis für ihre Situation in der Öffentlichkeit, die Akzeptanz einfacher Spielregeln beim Zusammenleben. An akustisch kritischen Stellen sollen entsprechende technische Hilfen vorgesehen werden.

Mobilitätsbehinderte können ihr Handicap nicht verstecken - ein Rollstuhl braucht viel Platz und fällt daher auf. Schwerhörige müssen erst lernen, zu ihrer unsichtbaren Behinderung zu stehen und mit Nachdruck Erleichterungen zu fordern.

Statistisch gesehen sind die Schwerhörigen mit bis zu 17% der Gesamtbevölkerung (je nach Berechnung) die stärkste Behindertengruppe überhaupt. Bei den über 60-jährigen sind es bereits über 30%, also rund ein Drittel der Bevölkerung.