schwerh.jpg (6989 Byte) Fragen wie die Umwelt auf Schwerhörige bzw. Gehörlose reagiert und welche Probleme auftreten werden hier gestellt.

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PROBLEME DER SCHWERHÖRIGKEIT

 

Schwerhörigkeit ist ein Phänomen, das zumeist schleichend auftritt. Das Hörvermögen nimmt ab, ohne daß es der Betroffene sofort realisiert. Vor allem geht es dabei weniger um "schlechtes HÖREN" als um "schlechtes VERSTEHEN". Zwischen HÖREN und VERSTEHEN besteht jedoch ein großer Unterschied. Ich höre ein Geräusch, kann es aber nicht zuordnen. Ich höre die Stimme, verstehe aber die Worte nicht.

 

Das VERSTEHEN ist ein komplexer Vorgang im Gehirn, der einwandfreies, BEIDOHRIGES Hören voraussetzt. Aus den Informationen, die aus beiden Ohren über die Hörnerven in das Gehirn gelangen, wird in komplizierten Algorithmen das Verstehen errechnet. Maßgeblich sind dabei die Lautstärkenunterschiede zwischen den beiden Ohren, die Phasen- und die Laufzeitunterschiede. Diese "Berechnung" wird um so komplizierter, je mehr Störgeräusche das Nutzsignal beeinträchtigen. Ab einem gewissen Störpegel ist auch der Guthörende nicht mehr in der Lage, das gewünschte Signal zweifelsfrei zu erkennen.

 

Verschlechtert sich das Hörvermögen an nur einem Ohr, sind die notwendigen Informationen (Schallstärke etc.) für das Gehirn nicht mehr vollständig, die "Berechnung" des Verstehens kann nicht mehr fehlerfrei erfolgen. Als Vergleich: auch ein Computer liefert bei unvollständigen Daten fehlerhafte Berechnungen.

Dies erklärt auch die Tatsache, warum es sinnlos ist, einen Hörbehinderten anzubrüllen. Er hört - aber er versteht nicht. Langsameres Sprechen und genaue Artikulation sind die Mittel der Wahl. Von extremer Schwerhörigkeit abgesehen, ist die Lautstärke von geringerer Wichtigkeit.

Besondere Schwierigkeiten erlebt der Schwerhörige in Situationen mit hohen Umgebungsgeräuschen. Durch die Probleme mit der "Datenverarbeitung" sieht sich der Betroffene mit oftmals als schmerzhaft empfundenen Lärm konfrontiert; ohne Chance, sich orientieren zu können. Nebengeräusche, die dem Guthörendem gar nicht auffallen, werden für den Schwerhörigen zur Qual.

 

Diese Umstände sind aber nicht so selten, wie oftmals angenommen. Sie fallen dem Gesunden nur nicht auf, weil "es ja so" normal ist. Viele alltägliche Situationen stellen den Schwerhörigen vor große Probleme: die Unterhaltung mit Freunden im Gasthaus; Schalterhallen in Bahnhöfen mit den vielen Menschen, Fahrzeugen, Lautsprechern; das Gespräch in der Bank beim Kassenschalter (Nadeldrucker, hallige Räume, Verkehrslärm); ja selbst der normale Büroalltag kann für den Betroffenen zum Horror werden

Daraus entsteht der Eindruck, daß Schwerhörige geistig minder-bemittelt, begriffsstutzig, dumm sind. Das dies nicht zutrifft, liegt auf der Hand. Auch Rollstuhlfahrer werden nicht apriori als Trottel verstanden.

Da sich verständlicherweise niemand gerne mit dem Attribut der Blödheit belegen läßt, ziehen sich Hörbehinderte vom öffentlichen Leben zurück, enttäuscht, verbittert, verzweifelt. Dieses Verhalten hat aber zur Folge, daß die große Gruppe der Hörbehinderten in der Öffentlichkeit kaum auffällt.

 

Um die Mächtigkeit dieser Gruppe zu demonstrieren: die letzte große Mikrozensuserhebung im Jahre 1995 ergab, daß sich selbst nahezu 600.000 PERSONEN als schwerhörig bezeichnen. Wird berücksichtigt, daß es eine namhafte Zahl derer gibt, die ihre Hörschwäche nicht zugeben (Dunkelziffer!), liegt der Schluß nahe, daß über 10% der Bevölkerung schwerhörig sind. Die Schwerhörigen stellen somit die stärkste Behindertengruppe überhaupt. Von dieser Zahl sind etwa 100.000 Personen mit einem Hörgerät versorgt.

 

Die moderne Medizin und Technik haben die Entwicklung hervorragender Hörhilfen in Form von Hörgeräten und Cochlear-implantaten möglich gemacht. Damit wird den Betroffenen eine wesentliche Verbesserung ihrer Lebensqualität ermöglicht. Allerdings: können diese Geräte das gesunde Gehör nicht ersetzen, sie bleiben HörHILFEN, wie der Name eben schon ausdrückt. Dies führt dazu, daß auch Hörgeräte an die Grenzen der Technik, bzw. der Physik stoßen, wenn es darum geht, in lärmerfüllter Umgebung (Maschinen, Menschen) wichtige Informationen VERSTEHEN zu können. Es ist wichtig, an dieser Stelle nochmals auf den Unterschied zwischen HÖREN und VERSTEHEN hinzuweisen. Denn trotz Hörhilfe funktioniert die Berech-nung der Information nicht mehr einwandfrei. Die Folge ist, daß trotz Hörhilfe im Betroffenen das Gefühl entsteht, minderwertig zu sein und die Tendenz des sich Zurückziehens weiter anhält. Schwerhörigkeit wird als Makel empfunden. An die Stelle früherer Selbstsicherheit tritt Zurückgezogenheit, eine Art innerliches Exil.

 

Es muß noch ein großer Lernschritt bei den Schwerhörigen vollzogen werden, damit sie ihre Behinderung akzeptieren. Ähnliches vollzog sich bei den Brillenträgern in den letzten Jahrzehnten. Früher als "Brillenschlange" belächelt, ist die Brille heute ein wichtiges modisches Accessoire. Eine Brille gilt nur dann als wertvoll, wenn sie mit den Namen der großen und bekannten Designer verziert ist.

Wichtig ist, daß den Schwerhörigen entgegengegangen wird, daß sie die ausgestreckte Hand erkennen: "Wir helfen Dir, wir verstehen Dich und Deine Probleme". Diesen Schritt kann jeder gehen, denn diese Geste der Menschlichkeit ist kostenlos. Es muß damit aufgehört werden, Hörbehinderte als dumm, begriffsstutzig einzustufen. Es muß den Hörbehinderten durch die Gesellschaft gezeigt werden, daß sie vollwertige Mitglieder sind, die ebenso wie alle anderen unseren Respekt verdienen.

 

Aber auch seitens der Technik gibt es Möglichkeiten, den Betroffenen die Hand zu reichen, um ihnen das Leben an öffentlichen Stellen zu erleichtern. Der Einbau einer indukTiven Höranlage ist in den meisten Fällen einfach und preiswert zu bewerkstelligen und bietet dem Hörbehinderten ein Höchstmaß an Komfort und Verständigungsqualität. Viele der verwendeten Hörgeräte weisen die sogenannte "T"-Stellung auf, die den IndukTivempfang ermöglicht. Mit dieser Möglichkeit hört der Hörgeräteträger auch in lärmerfüllter Umgebung klar und deutlich die gewünschte Information: den Schalterbeamten bei Banken oder Fahrkartenschaltern, Hotelrezeptionen; in Theatern, Kinos und Vortragssälen; in Kirchen und in Autobussen und an vielen anderen Plätzen.

 

Der Anwendung der IndukTivtechnologie sind nahezu keine Grenzen gesetzt. Moderne Geräte und Planungsstrategien ermöglichen problemlos den Einbau indukTiver Höranlagen, wo es früher nicht annähernd denkbar war. internationale Normen legen die "Beschaffenheit" des Magnetfeldes verbindlich fest, so daß bei den meisten Hörgeräten mit "T"-Stellung ein störungsfreier Empfang in nahezu HiFi-Qualität möglich ist.

 

Es sind oft die einfachen Dinge, die betroffenen Menschen das Leben wesentlich erleichtern können. Da die menschliche Kommunikation auf der Sprache aufgebaut ist, gehören Verständnis im Umgang mit Hörbehinderten und indukTive Höranlagen für den Schwerhörigen zu diesen essentiellen Dingen, mit denen sich sein oft mühsamer Alltag leichter meistern läßt.